Nachkriegskunst ist vom Abriss bedroht

„Nord-Rundschau“, 16.08.2011 02:45 Uhr Feuerbach
Von Georg Friedel

Eine Initiative setzt sich für den Erhalt der Wandbilder in der einstigen Kantine der Firma Schoch ein.

Über der einstigen Essensausgabe im ersten Obergeschoss des Schoch-Verwaltungsgebäudes steht in verschnörkelten Buchstaben und altmodischer Schrift der Spruch: „O Friede, was bist du so ein edler Schatz, und hast bei den Menschen so wenig Platz“. Es klingt wie ein Vermächtnis. In Zeiten, als für diese pazifistische Gesinnung so gar kein Platz war, traf es nämlich auch den Hartchromveredelungsbetrieb der Gebrüder Schoch hart. Vermutlich im Februar 1944 wurden bei einem Luftangriff in Feuerbach die Gebäude der Firma Schoch in Schutt und Asche gelegt. Auf einem Schwarzweiß-Foto aus dem Privat-Archiv von Walter Rieker ist das verheerende Ausmaß der Zerstörungen sichtbar. Die Firmengebäude sind ausgebrannt oder liegen in Trümmern, lediglich der Schornstein ragt unversehrt in die Höhe.

Die Brüder Emil und Georg Schoch hatten die Firma 1925 als so genannte Galvanisieranstalt gegründet. Schoch war einmal eines der führenden Metallveredelungswerke in Deutschland. Sehr bekannt war die Marke „Eloxal“ für beschichtete Aluminiumteile. Nach dem Krieg wurde das zerstörte Werk neu aufgebaut. Möglicherweise ist der anfangs zitierte Reim in der Kantine die Quintessenz dessen, was die für den Wiederaufbau Verantwortlichen der nachfolgenden Generation ins Stammbuch schreiben wollten.

Neben dem Spruch befinden sich in der Kantine auch zwei größere Wandbilder, die der Künstler Hans Bechstein im Mai 1949 geschaffen hat. Das eine ist 5,60 Meter breit und 1,50 Meter hoch und zeigt die einstige Weinbaugemeinde Feuerbach. Im Vordergrund sieht man etwa in Höhe des heutigen Burghaldenwegs eine Pferdekutsche durchs Bild fahren. Auf dem Kutschbock sitzt ein Mann, der einen Postillon-Hut trägt. Ihm zu Füßen liegt das historische Feuerbach mit der alten Stadtkirche und dem Lemberg im Hintergrund. Auf dem zweiten Bild ist die so genannte „Feuerbacher Wette“ abgebildet. Sie diente einst als Viehtränke, Feuerlöschteich, Bad für Kinder und Quartier für Enten und Gänse. Beide Wandbilder zeigen eine dörfliche Idylle und vermitteln den Eindruck einer vergangenen romantischen Epoche. Somit stehen sie in einem eigenartigen Kontrast zu dem, was den industriellen Alltag der Arbeiter in der einstigen Galvanisieranstalt bestimmte.

Vor einigen Wochen traf sich eine Gruppe Interessierter auf dem Gelände des stillgelegten Betriebs, um die Kunstwerke zu begutachten. Elke Thieme von der Initiative zur Rettung der Wandbilder im Schoch-Areal hatte zu dem Vorort-Termin auch Roland Lenz eingeladen. Er ist Diplomrestaurator und Professor an der Akademie der Bildenden Künste. Lenz leitet dort den Studiengang Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei. Bei diesen speziellen Werken auf dem Schoch-Areal handle es um Secco-Malereien, die auf den trockenen Untergrund aufgebracht worden seien. Sie abzutragen und anderswo wieder aufzubauen, sei ein aufwendiger Prozess, sagte Lenz. Er schlug bei dem Treffen vor, eine studentische Gruppe könne den Aufbau der Wandbilder und Schriften im Rahmen eines Semesterprojektes untersuchen und dokumentieren. „Diese historischen Ansichten müssen erhalten werden“, forderte der Feuerbacher Autor Heinz Krämer. Er erinnerte sich an den schmerzlichen Verlust des örtlichen Heimatmuseums, das einst Richard Kallee, Feuerbacher Pfarrer und Heimatforscher (1854-1933) gründete. „Das einstige Museum ist von der Stadt wüst verschlampert worden, die alamannischen Gräber sind vom Winde verweht“, kritisierte Krämer den laxen Umgang mit Fundstücken der heimatlichen Historie. Schon lange gebe es außerdem die Idee, ein Industriemuseum in Feuerbach einzurichten, betonte ein Mitglied der Initiative. Über den Maler Hans Bechstein und die Entstehungsgeschichte der Bilder sei bisher nichts bekannt, sagte Elke Thieme. Wer etwas darüber weiß, kann sich unter Telefon 0711 / 817 77 51 melden.

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